9SL | 275m | 5c (5b obl.) ****
P. Müller, M. Boos 2019
Prädikat: Grosszügig von A bis Z!
Bereits der Zustieg zur Klettertour “Bohrgeist” an den Fünffingerstöck ist ein Erlebnis: mit dem Susten- und Gwächtenhorn sowie dem Steingletscher im Rücken steigt man das wunderschöne Obertal hoch, plötzlich tauchen die eindrücklich gezackten Fünffingerstöck auf, dessen fingerähnliche Türme jäh in den Himmel schiessen. Bald leuchtet die Sonne in diese zackige Felsgestalt. Dies sorgt für eine prächtige Stimmung und lässt Vorfreude aufkommen, während man in gleichmässigem Schritt in Richtung Einstieg marschiert. Dieser befindet sich am Ende eines steilen Schneefelds, welches sich nach klaren, kalten Nächten pickelhart präsentieren kann. Ein Pickel zum Stufen schlagen oder besser Steigeisen können also durchaus erforderlich sein. Am einfachsten zieht man Helm, Gurt usw bereits am Anfang des Schneefelds auf den flachen Granitblöcken an, denn der Einstieg bietet wenig Platz dafür. Danach darf sich der Kletterer auf eine Plaisirperle freuen: erstens kommt “Bohrgeist” mit allerbester Absicherung daher, vergleichbar mit der Absicherung im Klettergarten. Zweitens sind die Schwierigkeiten in Bohrgeist sehr human, meist im fünften Grad und die Bewertung ist eher mild. Drittens, und dies ist das überzeugendste Argument, klettert man in Bohrgeist entlang einer tollen Linie in fast durchgehend allerbestem, griffigem Fels, den man vom Pfriendler her kennt. In gewissen Passagen kann man fast blind irgendwohin greifen und findet selbst dann ein Struktur, welche Halt zum Klettern bietet.
So viel Freude der grosszügig strukturierte Fels im Bohrgeist zum Klettern macht, so viel Sorgen bereitet eben dieser beim Abseilen. Seilverhänger lauern vielerorts! Immerhin sind die Abseiler an den heiklen Stellen kurz eingerichtet. Auf einen intelligenten Seilverlauf und auf geschicktes Abziehen ist unbedingt zu achten. Kletterer, die in Bohrgeist einsteigen, sollten ein Konzept davon haben, was im Falle eines Seilverhängers zu tun ist und entsprechend ausgerüstet sein.
Zusammengefasst lässt die Klettertour Bohrgeist an den Fünffingerstöck nur ein Fazit zu, nämlich dreimal grosszügig: grosszügig strukturiert, grosszügig abgesichert, grosszügig bewertet.
Topo | Bohrgeist, Fünffingerstöck
L0, 3a Am Wandfuss ist wenig Platz, um Gurt usw anzuziehen. Idealerweise macht man dies bereits auf den ebenen Steinblöcken am Anfang des Schneefelds. Die Länge kann zudem einfach mit Bergschuhen geklettert werden. Am ersten Stand findet man danach mehr Platz, um auf Kletterfinken zu wechseln. Zudem kann man auch direkt hierhin abseilen. Zu beachten ist dann die Pendelgefahr beim Abseilen.
L1 5c Einfach der Verschneidung nach. Die Crux besteht aus einer kurzen Einzelstelle, wo man auf feinen Strukturen aufstehen muss. Allenfalls kann man die Stelle auch links rum klettern. Dann grossgriffiger, evtl kann man danach einen Cam 0.5-1 legen. Ansonsten braucht man auch als Durchschnittskletterer auf der ganzen Tour keine Cams. Der Fels weist in dieser Länge noch einen Gletschscherschliff auf und ist etwas glatt, dennoch toll zu klettern. Stand nicht verbunden.
L2 5a Ab hier wird der Fels richtig griffig und rau, die Kletterei wunderbar. Fast überall findet man Strukturen, die Halt geben und die Absicherung ist wie im Klettergarten. Dies woll auf der ganzen Tour so bleiben.
L3 5a Weiterhin sehr griffig und etwas einfacher. Da und dort noch ein wenig flechtig in dieser Länge.
L4 4c Das Gelände sieht nur mässig interessante da ziemlioch gestuft und mit Grasbändern durchsetzt aus, die Klettereei entpuppt sich dennoch als sehr lohnend und an Strukturen mangelts auch hier nicht.
L5 4c Wunderschöne, griffige Wand, dann einfacher zum Stand hin.
L6 5b WOW! Die Kletterei wird hier etwas steiler, bleibt jedoch gleich griffig und macht richtig Freude.
L7 5b+ WOW! Phantastische Wandkletterei. Man kann fast blind irgendwohin greifen, um Halt zu finden. Geniale Strukturen. Wenn diese ausgehen rechts in die Verschneidung klettern.
L8&9 5b & 4b Diese Längen können gut zusammengehängt werden. Sie sind ein Ticken einfacher, nach wie vor lohnend. Die direkte Linie links hoch mag den einen oder anderen locken...
Zu- & Abstieg | Bohrgeist, Fünffingerstöck
Vom Parkplatz Obertal auf dem Weglein westlich des Obertalbaches aufsteigen bis zum P. 2515 beim See. Nun steil einen Moränenrücken hoch unter den Obertalstock und dann schräg nordwestlich über Felsplatten, Firn und Schneefelder hoch (knappe 2 h ab Parkplatz). Je nach Schneelage über eine Felszunge zum Einstieg der Route bei Bohrhakenstand )Koordinaten Einstieg: 2'676'060.6 / 1'178'075.5) . Abseilen über die Tour oder über den Hauptgipfel auf den Obertalgletscher absteigen.
Summary | Bohrgeist, Fünffingerstöck
Schönheit: 4/5
Charakter: griffige Wandkletterei in bestem Fels und sehr guter Absicherung
Absicherung: xxxxx/XXXXX sehr gut abgesichert, kann ergänzt werden
Exposition: Süd
Material: 50m, 10-12 Expressschlingen, optional Cams 0.5-1, evtl. Steigeisen
Zeiten
Zustieg 1h45’
Klettern 2-3h
Abseilen 1.5-2h
Abstieg 45’-1h
Comments